Die 10 goldenen GRAFCET-Regeln

Regel 1

Ein GRAFCET besteht aus Schritten, Transitionen incl. zugehöriger Weiterschaltbedingungen, Wirkverbindungen und aus Aktionen.

Im erweiterten Sinn können auch spezielle Befehle Bestandteil eines GRAFCETs sein.

Regel 2

Ein Schritt wird durch eine Wirkverbindung mit einem anderen Schritt verbunden, wobei eine Transition incl. zugehöriger Weiterschaltbedinung von einem zum andern Schritt fungiert.

Eine Transition gilt als freigegeben, wenn alle unmittelbar vor ihr liegenden Schritte aktiv sind. Ist eine Transition freigegeben und ist ihre Transitionsbedinung=true, so löst diese Transition aus.

Regel 3

Es muss immer folgende Reihenfolge eingehalten werden: Schritt-Transition-Schritt-Transition-Schritt- usw.

Das bedeutet: Niemals kann ein Schritt direkt auf einen anderen Schritt folgen, und niemlas kann eine Transition direkt auf eine Transition folgen!

Regel 4

Einem Schritt können beliebig viele Aktionen zugeordnet werden. Man unterscheidet Aktionen die nur solange aktiv sind, wie der zugehörige Schritt (sog. kontinuierlich wirkende Aktionen) von Aktionen, die einmal aktiviert werden - dann für viele Schritte aktiv sind - und an späterer Stelle wieder deaktiviert werden (sog. speichernd wirkende Aktionen).

Nicht jedem Schritt muss eine Aktion zugeordnet werden, Schritte ohne Aktionen nennt man Leerschritte. Sie werden oftmals benötigt um Regel 3 nicht zu verletzen.

Regel 5

In der Regel wird ein Schritt dann aktiv, wenn sein vorheriger Schritt aktiv ist UND die unmittelbar vor ihm liegende Transition auslöst.

(I.d.R deshalb, weil Schritte in speziellen Fällen auch von anderen Schritten bzw. Befehlen aktiviert werden können)

Regel 6

Wird ein Schritt aktivert, so deaktivert er den unmittelbar vor ihm liegenden Schritt automatisch.

Wird ein aktiver Schritt während der Ausführung deaktiviert und gleichzeitig aktiviert (z.B. durch eine Schleife auf sich selbst), so bleibt er in diesem Fall aktiv.

Anmerkung zu Regel 5 und Regel 6: Die Norm gibt an, dass eine ausgelöste Transition  den Schritt vor ihr deaktiviert und gleichzeitig den ihr nachfolgenden Schritt aktiviert. Obige Logik der Aktivierung und Dektivierung von Schritten ergibt sich also aus der logischen Anwendung der Norm.

Regel 7

Eine GRAFCET kann sich verzweigen. Eine Alternativverzweigung lässt einen GRAFCET nur in einem Teil des Abzweiges weiter laufen. Eine parallele Verzweigung hingegen lässt den GRAFCET gleichzeitig in mehreren (parallelen) Zweigen weiter laufen (somit sind hier sehr wohl auch mehrere Schritte gleichzeitig aktiv!)

Vergleichen Sie Regel 6!

Regel 8

Ein Schritt, welcher doppelt umrandet ist, nennt man Initialschritt. Dieser Schritt ist automatisch zu Beginn des ersten Ablauf (=Anfangssituation) des GRAFCETs als aktiv zu sehen.

Regel 9

Die in der deutschsprachigen Literatur meist aufgeführte Regel, in einem GRAFCET ohne Verzweigung dürfe immer nur ein Schritt (niemals aber mehrere Schritte gleichzeitig) aktiv sein, ist nicht korrekt.

Besitzt ein GRAFCET eine Quelltransition und dient deren Flanke als Transition für alle weiteren Schritte, so bildet dieser GRAFCET das Verhalten eines Schieberegisters nach. Es entstehen somit Zustände, in denen u.U. alle Schritte dieser Schrittkette gleichzeitig aktiv sein können! Siehe hierzu Grafcet 16.

Anmerkung: Der hier dargestellte Fall des Schieberegisters wird in der DIN EN 60848 als "häufiger Fall" dargestellt.
Es gibt jedoch sehr viele Anlagen, in denen immer nur ein Schritt aktiv ist.

Regel 10

Ein Leben ohne GRAFCET ist möglich, aber sinnlos. (Loriot)

Grafcet 11 – transienter Ablauf

Um von Schritt 3 nach Schritt 4 zu gelangen, muss der Sensor B1 5s lang bedämpft sein.

Was passiert jedoch, wenn Sensor B1 schon für 5s bedämpft war, während der GRAFCET noch im Schritt 2 war und erst später in den Schritt 3 wechselt?

B1 muss für 5s bedämpft bleiben

B1 muss für 5s bedämpft bleiben

Lösung:

Die Transitionsbedingung 5s/B1 gilt als erfüllt, nachdem Sensor B1 5s lang true war (und weiterhin true bleibt). Im nebenstehenden Beispiel könnte dieser Zustand eintreten, während Schritt 2 aktiv ist. Wechselt die Steuerung später in den Schritt 3, so wird die (schon erfüllte) Transition 5s/B1 freigegeben, die Steuerung gelangt umgehend in den Schritt 4.

Schritt 3 wird somit als „instabiler Schritt“ bezeichnet. Es liegt ein sog. „transienter Ablauf“ vor.

Anmerkung: Diese Fragestellung wird irrelevant, wenn anstatt eines Sensors eine Schrittvariable verwendet wird. Also z.B. 5s/X3. Denn dann ist klar, dass die 5s erst dann ablaufen, wenn X3 erreicht wurde.

Die Transition wird erst dann wieder als „false“ betrachtet, wenn B1 seinen Signalzustand von 1 auf 0 wechselt.

Möchte man das zweideutige Verhalten des obigen GRAFCETs verhindern, hat man hierzu mehrere Möglichkeiten.

Fehlerteufel 8 – zwangssteuernder Befehl

Ein Teil-GRAFCET G2 soll genau dann in seinen Schritt X3/G2 gezwungen werden, wenn der Sensor B1 Bedämpft wird.

Ist es also möglich, den zwangssteuernden Befehl „G2{X3}“ um eine Zuweisung „B1“ zu ergänzen?

Lösung:

Nein. Kein zwangssteuernder Befehl kann durch irgendwelche zusätzlichen „Bedingungen“ etc. erweitert werden. Im beschriebenen Fall muss der Sensor B1 als Transition verwendet werden, die in den Schritt überleitet, der den zwangssteuernden Befehl „G2{X3}“ ausführt.

 

Grafcet 10 – fehlerhafte Transitionsbedingung

Möchte man innerhalb einer Transition eine Zeit starten lassen, wenn ein Sensor eine fallende Flanke liefert, so ist man geneigt, folgende Transition zu wählen:

fehlerhafte Transition im Grafcet

fehlerhafte Transitionsbedingung im GRAFCET

 

Ist diese Darstellung normgerecht?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lösung:

Nein, diese Darstellung ist (leider) nicht normgerecht, obwohl nahezu jeder Leser intuitiv (richtig) verstehen würde, was der Ersteller des GRAFCET meinte.

Die Zeitnotation in GRAFCET ist jedoch mit (t1/Variable/t2) so festgelegt, dass

  • die linke Zeit (t1) mit steigender Flanke von „Variable“ abzulaufen beginnt (Voraussetzung für einen kompletten Ablauf ist, dass „Variable“ ständig erfüllt bleibt-auch dies widerspricht der Darstellung im obigen GRAFCET)
  • die rechte Zeit „t2“ mit fallender Flanke von „Variable“ startet und somit „nachläuft“

Eine mögliche Lösung kann so aussehen:

fallende Flanke als Einschaltverzögerung

fallende Flanke als Einschaltverzögerung

 

Von X3 ausgehend leitet die fallende Flanke von B1 über in den Schritt X3.1

Mit Aktivierung von X3.1 starten die 5s. Da X3.1 während dessen immer eine logische 1 besitzt, laufen die 5s auch vollständig ab.

Schritt X4 wird also 5s nachdem B1 eine fallende Flanke lieferte, erreicht.

Der Schritt X3.1 dient hier als klassischer „Leerschritt“. Ihm wird keine Aktion zugeordnet, im Produktionsablauf existiert dieser Schritt auch nicht.

Deshalb wurde im Beispiel auch die Schrittnummer mit 3.1 gewählt. Somit soll der Leser schnell erkennen, dass es sich nicht um einen „wirklichen“ Schritt handelt. Die Anlage nimmt diesen Schritt also nicht auf Grund Ihrer Abläufe ein.

Fehlerteufel 7 – unklare Transitionsbedingungen

Welcher GRAFCET bietet (unnötigen) Raum zur Diskussion uind sollte deshalb vermieden werden?

unklare Transitionsbedingungen

unklare Transitionsbedingungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lösung:

Die Erfahrung zeigt, dass der GRAFCET unter a) von verschiedenen „Lesern“ verschiedenartig interpretiert werden kann. Mögliche Interpretationsvarianten sind:

b) X2 wird verlassen, nachdem 4s abgelaufen sind (Triggerimpuls für die Zeit ist ausschließlich  die steigende Flanke von X2) und zusätzlich (irgendwann) der Sensor B10 bedämpft wird

c) die 4s starten, wenn die Verknüpfung aus (X2&B10) eine steigende Flanke liefert. Nach Ablauf der 4s wird X2 verlassen

d) gleiches Verhalten wie in c)

 

Deshalb sollte die Schreibweise 4s/X2*B10 vermieden werden und durch die Varianten b, c oder d ersetzt werden!

Denn der GRAFCET sollte für ALLE eindeutig lesbar sein!

Fehlerteufel 6 – überflüssige Transitionsbedingung

Auf welche Angabe im Grafcet sollte verzichtet werden, da sie weder der Übersichtlichkeit dient, noch die Funktion des Grafcet verändert?

überflüssige Angabe in Transition

überflüssige Angabe in Transition

Lösung:

Die Angabe X2 nach Schritt 2 ist überflüsig, denn die Transition nach X2 wird erst dann freigegeben, wenn X2 aktiv ist. Somit ist die Transitionsbedingung X2 immer erfüllt, es macht keinen Sinn, sie extra abfragen zu wollen.

Vergleiche Grafcet 4.

PAL Abschlussprüfung

Neue Kennzeichnungen von Objekten

Für einige Ausbildungsberufe wird in den PAL-Abschlussprüfungen die Kennzeichnung der Betriebsmittel in Zukunft (Stand: November 2015) umgestellt.

Es ist geplant, die Prüfungen sukzessive zu aktualisieren, wenn möglich sollen für eine gewisse Übergangszeit sowohl die neuen als auch die alten Bezeichnungen parallel verwendet werden.

Dies trifft ins Besondere folgende Berufe:

  • Mechatroniker
  • Industriemechaniker
  • Elektroniker für Automatisierungstechnik (EAT)

weiter Informationen finden Sie hier.

Grafcet 9 – Quellschritt

Nicht in jedem GRAFCET erfolg eine Rückführung vom letzten Schritt hin zum Initialschritt. Oftmals dient der Initialschritt nur als „Quelle“ der Schrittkette. Man bezeichnet diesen Schritt dann als Quellschritt.

Quellschritt: Immer wenn ein Schritt keine ihm vorangestellte Transition besitzt, spricht man von einem Quellschritt.

Beispiel: Hier ist X0 der Initialschritt, erkennbar am Doppelrahmen. Vor dem Initialschritt befindet sich jedoch keine Transition, somit wird dieser Initialschritt als Quellschritt bezeichnet.

Grafcet: Quellschritt als Initialschritt

GRAFCET: Quellschritt als Initialschritt

 

Grafcet 8 – Schleife

Wie realisiert man in einem GRAFCET, dass eine Kolbenstange viermal aus und wieder einfährt, bevor die Schrittkette weiter abgearbeitet wird?

 

Lösung:

Schritt X3 wird als einschließender Schritt bezeichnet. Wird er aktiviert, so aktiviert er seine ihm zugeordnete(n) Einschließung(en), Schritt X4 wird deshalb aktiviert. Nun läuft G2 nach seinen eigenen Regeln ab: Nach dem die Kolbenstange wieder einfährt, wird der Zähler (Counter C) um den Wert 1 erhöht. Dies führt dazu, dass beim viertem Einfahren der Zähler den Wert 4 besitzt. Schritt X5 wird somit nicht mehr verlassen. Aber die nun erfüllte Transition [C=4] deaktivert den einschließenden Schritt X3. Somit wird auch der Teil-GRAFCET G2 deaktiviert.

Zähler mit Grafcet

Zähler mit GRAFCET